Dienstag, 17. April 2012

04.Happy Birthday Vollidiot

Heute war mein 19. Geburtstag.
Der beschissenste Tag meines Lebens seit Gestern.
Ich weiß, ich fange an mit diesem konstanten emotionalen Absturz zu nerven, aber ihr müsst die Erzählungen anders betrachten. Mehr als ein immer wiederkehrender Witz, als einen Running Gag.
Für die Erklärungen meiner derzeitigen Gefühlslage muss ich ein wenig ausholen.
Es summierten sich einige für mich weniger erfreulichen Ereignisse, welche damit begannen, das mich mein Kumpel Nick überredete, meinen Geburtstag groß zu feiern. Nicht nur das ich es komisch finde jedes Jahr den körperlichen Zerfall erneut zu zelebrieren, sondern dies auch noch mit Menschen zu tun, die ich höchstens einmal gesehen habe, bis auf einige Ausnahmen wie Nick, Tom, Karl, Marla und ein paar wenige andere.
Um die Leute einzuladen war ich das erste und einzige Mal froh über Mark Zuckerbergs Erfindungen, des sozialen Todesurteils Facebook.
So war es ein leichtes meine "Freunde" über die frohe Nachricht zu informieren und einzuladen in irgendeinen Raum den ich teuer bezahlen musste damit die ganzen undankbaren Idioten ein warmes Plätzchen hatten, um sich zu besaufen. Dafür mussten sie nichts weiter tun, als mir zum Geburtstag zu gratulieren.
Während des ganzen Stress' vergaß ich für einen Moment meinen eigentlichen Stress mit Marla. Es bot eine willkommene Abwechslung.
Ich regte mich die ganze Woche über diese Kleinigkeiten auf. Über die Idioten, das verschenkte Geld für Pappbecher, Plastikgabeln, den ganzen Fertig-Mist, den sie einem als Nahrung andrehen. Objektiv betrachtet ist Mist auch ein Nahrungsmittel, aber es kommt dabei eher auf den subjektiven Blickwinkel an und von meinem aus, konnte ich eigentlich nur sagen: Ich gebe für Mist kein Geld aus. 
Doch ich tat es trotzdem. 
Genervt wachte ich nun an meinem großen Tag auf, setzte mein überraschtes Gesicht am Frühstückstisch auf und freute mich äußerlich über die nun schon neunzehnten Glückwünsche meiner Eltern. In diesem Moment fragte ich mich, wie beispielsweise mein Vater schon zweiundfünfzig Mal Glückwünsche ertragen hatte. Nun, auch ich würde das schon irgendwie überstehen und meine Eltern, die mich nach neunzehn Jahren bereits gut genug kannten und daher etwas nachsichtiger geworden waren die Glückwünsche recht kurz zu halten, mit einem kleinen Scherz aufzulockern, waren noch das kleinste Übel.
Gegenüber meiner Verwandtschaften und Bekanntschaften musste ich einen Schwall von Floskeln ihrerseits und Dankesreden meinerseits überstehen.
So nährte sich mein großer Tag dem Ende. Das Ende war gleichzeitig Höhepunkt und Überschneidungspunkt meiner beiden, bereits angesprochenen, aktuellen, essenziellen Stressfaktoren: Die Party und Marla.
Nick und Karl halfen mir am Nachmittag den gemieteten Raum, mit Mist zu füllen und ich entschuldigte mich zum dritten Mal bei Karl für mein berauschtes Auftreten letztens und die Verwüstung seiner Behausung, für die ich verantwortlich war. Er versicherte mir das alles in Ordnung ist, doch ich sah ihm an, dass er noch immer etwas sauer war.
Mein Kopf füllte sich jedoch kurze Zeit später mit einem einzigen Thema, das plötzlich geradewegs durch die Tür des Schuppens kam. Marla.
Es verdrängte sofort alles andere, was mich beschäftigte.
Den körperlichen Zerfall, Karl, sogar meine große Geburtstagsfeier, wurden mit einem mal an die hinterste Ecke meines Kopfes gepresst.
"Herzlichen Glückwunsch John", sagte sie und gab mir einen langen Kuss auf den Mund. Seit letztem Wochenende, an dem ich, wegen Marlas Festival, Karls Zimmer verwüstet hatte, habe ich mehrfach versucht sie zu erreichen und ihr dann geschrieben, dass ich meinen Geburtstag feiere. Keine Antwort. Nun steht sie einfach vor mir und küsst mich. War etwa alles in Ordnung? Unsere Beziehung gar nicht im Stillen von ihr beendet worden?
Ich lächelte und freute mich wie ein Geburtstagskind, das ich war. Ich hatte mir die letzte Woche eingeredet, dass es das Beste sei, sie zu vergessen. Wer war sie denn schon? Ich liebte sie doch gar nicht mehr.
Es hätte funktionieren können, glaubte ich.
Nun füllte sich der Schuppen. Ich musste mal wieder Dankesreden für jeden halten, der mir Glückwünsche zusprach, um sich daraufhin ein Bier zu greifen und sich zu den Personen zu gesellen, mit denen er eigentlich reden wollte.
Ich spielte weiterhin meine Rolle als Gastgeber, während ich mich auf meinen zweiten Stressfaktor konzentrierte. Marla trank, nachdem sie sich bei mir beschwert hatte, dass ich keine Zeit für sie hätte, ein Sektglas nach dem anderen und flirtete mit irgendwelchen Idioten, die ich höchstens einmal gesehen hatte. Nach einiger Zeit kam Nick zu mir und fragte, was mit Marla los sei. Ob wir noch zusammen seien.
So war es nun also, ich, der Gastgeber, der die Hundesöhne bewirtete, die sich jetzt immer intensiver mit meiner vermeidlichen Freundin amüsierten, stand nun völlig verwirrt im Raum. Plötzlich empfand ich, als wäre alles dunkel um mich herum. Es waren nur Konturen meiner Gäste zu sehen. Bis auf dieses eine Mädchen, das in einem hellen Lichtkegel saß, auf einem Typen, den ich nicht kannte und sich auf ihm hin und her schob und mich stöhnend anschrie. "Das hast du jetzt davon John! Du musstest dich ja um andere Leute kümmern und hast keine Zeit für mich! Das hast du jetzt davon!"
"Hey" hörte ich aus weiter Entfernung. Eine Hand rüttelte an meiner Schulter und riss mich aus meinem Traum. Nick stand direkt vor mir. "Alles in Ordnung?", fragte er. "Du solltest mal besser was dagegen unternehmen!"
Das war der einzig richtige Rat den man mir hätte geben können.
Ich ging zielstrebig zu ihr und diesem Typen, den ich nicht kannte.
Sie sah mich, beachtete mich aber nicht, bis ich lautstark sagte: "Hey, was soll die Scheiße?!" Marla schaute mich gespielt verdutzt an, wie sie es immer tat, wenn sie mich auflaufen lassen wollte. Dieser Bonze neben ihr schaute nur verachtungsvoll auf mich herab, obwohl ich derjenige war der stand.
"Äh, was für'n Scheiß?", sagte sie.
"Na, keine Ahnung was ihr hier für Tächteleien treibt. Es gefällt mir jedenfalls nicht!" Auf einmal mischte sich der Bonzentyp ein. "Was sie macht kann sie schon selbst entscheiden, man." Nun ging es langsam mit mir durch. Tatsächlich etwas ungläubig über seine Aussage entgegnete ich: "Verdammt ich kenn dich nicht einmal du Arsch, was zum Teufel hast du eigentlich auf meiner Geburtstagsfeier verloren." Nun war ich nicht mehr bei Sinnen. Diese Idioten tranken und aßen von meinem Mist und machten dann noch mit meiner Freundin rum, von der ich nun überhaupt nicht mehr wusste, was in ihr vorging. Ich schupste den Bonzen, sodass er von seinem Stuhl fiel und drehte mich um, da ich bemerkt hatte, dass ich die Aufmerksamkeit einiger anderer Gäste auf mich gezogen hatte. Ich sagte, dass alles in Ordnung sei, um die Situation zu entschärfen. Ich drehte mich wieder um und merkte, während meiner Drehung, einen starken Druck auf meinem rechten Wangenknochen. Ich drehte mich nun ungewollt in die entgegengesetzte Richtung auf den Boden zu.
Als ich mich auf dem Boden aufsetzte und mir langsam klar wurde, dass es der Bonze gewesen sein musste, der mit seiner Faust diesen Druck auf meinen Wangenknochen ausgeübt hatte, war dieser bereits mit Marla und seiner Bonzengäng verschwunden. Ich schloss die Augen und stieß die Luft in mir aus.
Später muss ich hier noch aufräumen, dachte ich und stand schwerfällig wieder auf.

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