Mittwoch, 6. Juni 2012

09.1.Gott hat Humor


Wenn etwas Höheres über uns herrscht, dann hat "Es" mit Sicherheit einen tief schwarzen Humor. Eigentlich einen sehr Guten. Doch wenn man selbst die Pointe des Witzes ist, fällt es schwer über den Witz zu lachen. Warum sonst gibt es die Liebe oder das Glück? Damit man immer wieder auf die verdammte Schnauze fällt und manchmal bleibt man halt einfach liegen. Und irgendwo gibt es jemanden der herzhaft darüber lacht. War mir ein vergnügen. Mit "jemanden" meine ich nicht unbedingt diese angesprochene höhere Macht. Ich bin Mal wieder auf die Schnauze gefallen und es ist schwer diesen Vorfall mit etwas wie Liebe zu definieren. Es geht also abwechslungsweise Mal nicht um Marla. Dennoch um ein Mädchen ... und um ein Metalkonzert.
Mit zwei meiner besten Kumpel saß ich in der Bahn auf dem Weg zu diesem eben angesprochenen Konzert einer dieser Metalbands, welche es heut zu Tage im schon lächerlichen Überfluss zu hören gibt. Mir gegenüber saß Tom, mein einer Kumpel, neben dem ich aussehe, wie ein verdammter Heiliger! Tom trägt bloß schwarz und das nicht, weil man auf weißen Klamotten immer so schnell die Flecken sieht, sondern weil das in seiner Szene so üblich ist. Er scheint in seiner Gothikszene zufrieden zu sein. Schwarz geschminkt schwarz gefärbte Haare bis zum Kiefer und Massen an silbernen Kettchen am gesamten Körper verteilt. Ich könnte das nie, mich für irgendeine Scheiße so aufzutakeln. Deshalb respektiere ich umso mehr, dass er es mit einer absoluten Konsequenz tut. Ich frage mich nur wann er mit dieser Phase abgeschlossen hat. Neben Tom saß Nick. Er gehört nicht direkt einer Szene an. (Ich möchte Menschen jetzt nicht in Szenen einteilen, aber es passt einfach gerade ganz gut zum Thema.) Jedoch gehört er nicht aus Prinzip keiner Szene an, sondern durch eine Unentschlossenheit, die aus vielen verschiedenen Einflüssen resultiert, zwischen denen er sich nicht entscheiden kann.
(Möglicherweise ist es doch sinnvoll Menschen in Szenen einzuteilen, scheint die Eigenschaften eines Menschen gewissermaßen zu reflektieren.) Über das letzte Wochenende, indem er sich ins Koma gesoffen hatte, sagte er kein Wort. Auch diese Geschichte werde ich wahrscheinlich auf irgendeiner Party hören, welche das "zum Affen machen" und das "Kotzen" zur Essenz des Inhalts macht.
Was uns Drei an diesem Abend besonders verbunden hatte, war die Band, welche für uns deshalb besonders war, da sie unsere erste Metalband war, die wir live gesehen hatten und sie einen ganz individuellen Kultstatus bei uns hat. Die Bar in der die Band spielte war recht groß und eindeutig für solche Veranstaltungen ausgelegt.
Links vom Eingang befand sich eine Gradrobe und rechts befand sich eine Theke, welche an der Seite einer kleinen Bühne am Ende des Raumes stand.
Es glich fast einem Wunder, dass alle Instrumente einer herkömmlichen Rockband auf der "Bühne" Platz fanden. Der Rest des Raumes war schon mit Leuten gefüllt, was jedoch nicht unbedingt für den Beliebtheitsgrad unserer favorisierten Metalband sprach, denn um genau zu sein, befanden wir uns auf einen Band Contest. Das bedeutet, dass mehrere Bands gegeneinander antreten. Die Band mit den meisten Stimmen gelangt in die nächste Runde. Anders gesagt: Die Band, welche die meisten Freunde mitgebracht hat gewinnt. Wie es aussah hatte unser Favorit nicht genug Freunde eingeladen.
So oder so ist das einzige Schwein, das sich am Ende die Finger leckt, der Mann hinter der Bühne, der Veranstalter. So viel zum Musikbusiness. So läuft die Wirtschaft, Baby.
Trotz dieser Belebtheit, dieser Fülle in der Bar, bemerkte ich, während ich mich durch die Massen von ignoranten Metalposern kämpfte, eine helle, in der Masse fast untergehende, Stimme die meinen Namen zu rufen schien. Ich drehte mich zur Seite bis ein Mädchen in mein Blickfeld erschien. Sie kam mir bekannt vor und ich erinnerte mich, sie einmal höchstens zweimal in meiner Schule gesehen zu haben. Immer wahrend der Pausen, draußen vor dem Eingang, wo Dreiviertel meines Oberstufenjahrgangs standen und rauchten. Doch sie, so überrascht ich war, kannte meinen Namen. Ich ging dem Rufen des Mädchens nach. Ihr Name war …, wie war ihr Name denn noch gleich? Ich hab's vergessen. Es ist auch nicht von Bedeutung, denn diese Bekanntschaft würde nicht lange halten, das kann ich verraten. Sie kannte mich durch Marla. Als sei das nicht genug, erinnerte mich das Mädchen, während des Gesprächs, immer mehr an sie. Ewige Beteuerung ihrer Individualität gegenüber ihrem Umfeld, war das meist erwähnte Thema im Gespräch. Dabei war sie die unsicherste Mitläuferin im Raum. In ihrem Gesicht stand die Angst vor Abweisung geschrieben. Ich hasse diese ganze Scheiße. Dazu dieser übertriebene Körperkontakt, der schon an Befummeln grenzte, der mir versicherte, dass wenn ich ihr sagen würde: "Komm mal mit aufs Klo, ich hab Bock zu ficken", sie mir ohne zu zögern folgen würde, ohne eine Spur von Ehrgefühl. Doch wie sollte ich bei so einem kaputten Menschen Lust auf Sex bekommen. Ich bin zwar ein Arschloch, aber kein verdammtes Arschloch.
Ich habe es aufgegeben zu helfen, das hat auch bei Marla nicht funktioniert. Umso länger ich mit ihr redete, umso mehr bedauerte ich überhaupt mitgekommen zu sein. Als die Band endlich anfing zu spielen, nutze ich natürlich sofort die Gelegenheit um von ihr wegzukommen!
Das war das Tolle an der Band: Man hört die kreischende Gitarre und die treibenden Drums, die einen dazu verleiteten alles um einen herum zu vergessen und sich einfach nur der Musik hinzugeben.
Nach fünfzig Minuten Extremsport und einer Garantie auf eine Nackenstarre am darauf folgendem Tag, gingen wir aus der Bar heraus.
Ich wollte einfach nur nach Hause. Doch wie in einem schlechten Film war uns das Mädchen wieder auf den Fersen. Der Versuch, durch einfallslose Ausreden von ihr loszukommen scheiterte und so kam sie mit uns. Als ich sagte, das ich noch mit zu Tom gehe, schien Tom wiederum seine Chance zu wittern und lud sie mit ein. Was für ein Penner, nicht wahr?
Sein Zimmer beinhaltete alles, was man sich unter einer Gothik-Postpupertäts-Mischung vorstellt. Ein Bett, eine Sofa, ein Fernseher und etliche Poster von Frauen, im Gothik-Look natürlich.
Auf seinem Tisch, der zwischen Sofa und Fernseher stand, befanden sich zu einem Großteil leere Bierflaschen. Es war nun schon ungefähr halb eins in der Nacht und ich musste am nächsten Tag in die Schule. Das war aber nicht das größte Problem, denn ich hatte noch dieses verrückte Mädchen am Arsch kleben und es konnte nur schlimmer kommen! Sofort als Tom das Zimmer für einen Moment verließ, küsste mich das arme Ding und, nun ja, ich habe eine Schwäche für kleine Unscheinbare Piercings, außerdem bin ich ein Mann und ... Dafür sind Klischees doch da, um eine Ausrede parat zu haben. Worauf ich hinaus will ist, dass ich nichts getan habe, um es zu verhindern. Doch keine Sorge, es geht noch weiter ...
Als Tom wieder ins Zimmer kam waren wir natürlich voll bei der Sache ... also beim Knutschen. Was denkt ihr denn von mir! Ich bin leidenschaftlich, aber ich bin keine Hure! Wie sich herausstellte, behielt ich jedoch recht damit, dass sie sehr wohl einer Hure glich, denn als wir es uns liegend auf dem Sofa gemütlich gemacht hatten und Tom in seinem Bett, spürte ich plötzlich eine Hand, die nur zu dem armen Ding gehören konnte, auf meiner nackten Brust. Sie musste sich also unauffällig einen Weg unter mein T-Shirt gebahnt haben. Verhängnisvoll glitt sie mit ihrer Hand immer weiter hinunter. Vorbei an meinem Bauchnabel unter meiner Hose durch zum Unterleib. Was unweigerlich dazu führte, dass sich eines regte, was ich getrost auch auf meine Männlichkeit schiebe. Ich wusste nur nicht was sie nun von mir erwartete. Sollte ich ihr nun die Hose runterziehen und es ihr sofort und mit dem Zuschauer in den hinteren Reihen besorgen? Ich wusste nur, ich musste irgendwie aus dieser unangenehmen Situation heraus. Ich hatte eine gewisse Standfestigkeit, ich war also nicht unbedingt unter großem Zeitdruck, aber einfach war es nicht sich etwas unter diesen Umständen zu überlegen. Bevor ich mir eine mehr oder weniger halbherzige Ausrede ausgedacht, hatte unterbrach Tom uns und meinte, dass ich jetzt besser gehen sollte, da er für seinen morgigen Arbeitstag Schlaf benötige.
Ich verstand seine eigentliche Intention, nutzte dieses Argument aber sofort und verabschiedete mich verunsichert und halbherzig von Tom und dem bemitleidenswerten Stück. Glücklich und irgendwie beflügelt von meiner Heldentat, welche sich nur als Verzögerung des Unvermeidlichen herausstellen sollte, ging ich nach Hause.
Und schon am nächsten Schultag sollte ich die ganze Geschichte erfahren.
Denn Nick erzählte mir und ohne mein wissen auch mehreren anderen Mitschülern, dass Tom, nachdem ich weg war, auch mit dem Mädchen rumgemacht hat. Ich war wohl bloß gut für eine spaßige Anekdote, wenn mal kein Gesprächsstoff vorhanden war! Nicht das ihr denkt, dass ich sauer auf das Mädchen wäre, nein, dass war wenig überraschend für mich.
Aber als mir Tom, während ich ihn mit der ganzen Sache konfrontierte, bloß mit beschissenen Floskeln antwortete, wie: "Komm schon das ist es doch nicht Wert wegen irgendeiner Schnitte unsere Freundschaft aufs Spiel zu setzen" oder "Ich hab nur nichts gesagt, damit es kein Streit zwischen uns gibt", da überlegte ich, ob Freundschaften tatsächlich bloß so wenig bedeuten, dass man Probleme mit Floskeln aus dem Weg schaffen kann?
Am Ende geht es in dieser Geschichte nicht um das Mädchen, es geht nicht um den Witz, sondern um die, die darüber lachen und da das meine "Freunde" zu sein scheinen, macht mich das umso trauriger.
Diese ganze Situation bringt mich zu der Frage: Gibt es so etwas wie Freundschaft? Ist Freundschaft vielleicht veraltet? Gibt es niemanden mehr auf den man sich verlassen kann? Jemand der nicht nur sein Ego oder seine verdammten Eier im Sinn hat?!

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